Die Geschichte von Torrent
Hast du einen Rucksack, der dich schon seit Jahren begleitet und dein bester Abenteuer-Buddy geworden ist? EXPED Kundin Julie hat das auf jeden Fall. Sie hat die Geschichte ihres Torrents in Worte gefasst und das aus der Sicht des Rucksacks.
Wer fand wen?
Torrent ist mein Name. Ich hing noch in diesem hübschen kleinen Geschäft für Bergausrüstung hing, mit herrlichem Blick auf die grünen Parks von Genf.
Es war ein Suisse Romand, der sich in diesem Laden um mich kümmerte – er nannte sich Lens. Ich glaube, er war sogar ein bisschen besessen von mir. Es war aber eine Besessenheit, die mir tatsächlich gefiel. Täglich näherte er sich etwas mehr, schaute mich eine Weile an, rückte mich in ein besseres Licht, um mich und meine einfachen, aber genialen Funktionen für jeden, der das Geschäft betritt, sichtbar zu machen. «30 Liter, ein wasserdichtes, leicht zu reinigendes Material und superleicht …» so wurde ich täglich beschrieben und es war lustig mit anzusehen. Im Ernst, ich war davon überzeugt, dass ich bei Lens laden würde, der mich gerne für sich haben wollte. Doch eines Tages beobachte ich, wie er schliesslich meinen Zwillingsbruder mit zu sich nahm – tja, das tat weh.
Nur ein paar Tage später tauchte aber dieses Mädchen im Laden auf und sie hörte einfach nicht auf, mich anzustarren, so wie es Lens die ganze Zeit getan hat. Er plante etwas, da war ich mir sicher. Er wollte mich mit ihr zusammenbringen, oder sie mit mir - ich spürte es. Ich beobachte, wie sich Lens bemühte und in diesem wichtigen Verkaufsgespräch wirklich alles gab. Ich war mir fast sicher, dass er plante, mich eines Tages wieder mit meinem Bruder zusammenzubringen, indem er mich seiner Freundin näherbrachte. Aber seien wir ehrlich, ich weiss, dass es am Ende nicht das Verkaufsgespräch war, das sie dazu gebracht hat, mich zu sich zu nehmen. Es konnte nur ich sein. Ich und meine aussergewöhnlichen Qualitäten.
Ich rückte meine besten Teile in dem kleinen Sonnenstrahl zurecht, der in das Ladeninnere drang und ich wusste, dass meine widerstandsfähige Haut und meine Farbe perfekt aussehen würden. Ich kann fast schon sagen, sie war sofort bereit, mich mit nach Hause zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits sehr aufgeregt und ich freute mich darauf, nach draussen zu gehen, diesen Ort zu verlassen und mit meiner neuen Besitzerin Julez neue Abenteuer zu erleben.
Herausforderungen im Stadtleben
Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll, denn Julez hat mich buchstäblich überall mit hingenommen. Sie füllte mich mit allen möglichen Dingen: Essen, Getränke, Picknick, Slackline und Kletterausrüstung. Ich musste so oft Magnesium-Säcke tragen und deshalb tagelang Pulver einatmen – ich bin wirklich zu luftdicht dafür (ach). Sie stopfte ihre stinkenden Kletterschuhe in mich hinein, nasse Handtücher, Decken, Yogamatten, Kleider, Bücker, kleinere Rucksäcke, Laptops, Sixpacks mit Bier und auch ihren Hund in mich hinein zu setzen, schien kein Risiko für sie zu sein. Ich könnte hier eine endlose Liste anfügen, aber lasst mich lieber davon erzählen, wann ich wirklich anfing, mich in die Idee, den Rest meines Lebens mit diesem Mädchen zu verbringen, verliebte.
Es war der Moment, in dem mir klar wurde, dass sie meinen wahren, tief verwurzelten Wunsche erkannte, so viel wie möglich im Freien zu sein, egal bei welchem Wetter. Also verbrachte ich Stunden mit ihr, im Fahrtwind während einer Biketour, wobei ich alles in mich aufnahm, für was ich ursprünglich gemacht wurde. Es war eine überwältigende Erfahrung, in Kontakt mit jedem Wetter zu kommen und meine Grenzen testen zu können. Nichts liess mich nutzlos erscheinen, kein Regen, Hagel, Schnee oder Wind, nicht einmal der intensive Sonnenschein oder die enorme Hitze während den Sommertagen in Genf haben mir geschadet. Ich musste mir nie wirklich Sorgen um meine Haut machen, denn ich wusste, dass ich dafür gemacht wurde jedem Wetter zu wiederstehen. Wenn es zum Beispiel wie aus Kübeln regnete, war es für mich wie die lang erwartete Dusche, eine Chance, das ganze Bier loszuwerden, das noch von diversen Nächten im Club oder an Haus-Parties an mir klebte. Auch an diesen «Duschtagen» schaffte ich es, ihre Sachen immer trocken zu halten. Das war mein ständiges Ziel: Enttäusche sie nicht!
Wir haben in dieser Phase des «Stadtlebens» viele schöne Dinge erlebt. Endlose Konzerte, Tanzabende, nicht enden wollende Slackline-Sessions im Park, wunderbare Lagerfeuerabende hoch oben auf unserem Lieblingsberg «Le Salève». Selbst an heissen Sommertagen am See oder am Fluss wurde es uns nie langweilig. Dieser eine Sommertag war jedoch etwas Besonderes. Sie und ihre Freunde beschlossen, dass wir uns die Rhône hinuntertreiben lassen, um zu unserer Lieblings-Sommerbar «A la Pointe» zu gelangen und ehrlich gesagt hatte ich ein bisschen Angst. Julez ist eine Fotografin und an diesem Tag hatte sie ihre grosse Kamera dabei, in mir, als wäre dies meine volle Verantwortung. Es war eine echte Prüfung.
Ich geriet etwas in Panik – werde ich all dem Wasser um mich herum widerstehen können? Werde ich in der Lage sein, dem Strom zu widerstehen, dem schweren Wasser, das während 10 bis 15 Minuten in diesem Fluss auf meine Haut drückt?* Ich konnte allerdings nicht allzu lange darüber nachdenken, sie schloss mich bereits und schwups, fand ich mich bereits in der Rhône schwimmend wieder, den Kopf aus dem Wasser gestreckt, damit ich sie sehen konnte. Ich wollte sie während dieser Herausforderung wirklich nicht verlieren. Aber wow, obwohl ich ziemlich verängstigt war, kamen wir als Team beim Ausstieg an und ich habe sie nicht enttäuscht. Auch wenn ich es nicht geschafft habe, dass alle meine Nähte 100 % trocken blieben. Ja, nur ein paar Tropfen waren an meinem Hintern durchgedrungen, aber alles was zählte, war die Kamera – und sie war trocken geblieben. Mein Tag war perfekt gelaufen und ich fühlte mich unbesiegbar und stolz. Ich konnte spüren, wie ihre Liebe zu mir gerade wieder ein bisschen weiter wuchs.
Unser letzter denkwürdiger Moment des Stadtlebens war definitiv, als Julez beschloss, sich einen kleinen Welpen für ihre zukünftigen Van-Abenteuer zuzulegen. Wir hatten beide die Nase ein wenig voll von diesem Leben, wir wollten so viel mehr sehen, mehr Abenteuer erleben und mehr Natur um uns spüren. Als sie diesen kleinen Welpen Karma mit nach Hause brachte, ergänzte er unsere Familie perfekt. Es war mir eine grosse Freude, diesen süssen Welpen zu tragen, in meinen warmen Armen, während Julez mit dem Fahrrad durch die Stadt fuhr. Er brachte mir vollstes Vertrauen entgegen und ich habe ihn nie losgelassen. Ich hatte sogar das Gefühl, dass er diese Fahrten sehr genoss.
Roadtrip, Berge und das Extreme
Nach zwei sehr angenehmen Jahren in dieser schönen Berg-See-Stadt und vielen lustigen Fahrradtouren mit Julez, waren wir bereit für den von ihr umgebauten Lieferwagen und ein Leben in Freiheit. Ich sage euch, sogar in diesem neuen Citroën Jumper-Zuhause, gab sie mir meinen eigenen Raum und alle meine Haken und Schleifen erlaubten es mir, auch nützlich zu sein und nicht nur einfach Herumzuhängen und Platz zu brauchen.
Der folgende Teil meines Lebens wurde noch aktiver und aufregender, aber diese Zeit forderte mich auch heraus. Sie hat mich vor einer Tour jeweils wie verrückt beladen. Ja, ich dachte in paar Mal, ich würde einfach nachgeben, aufreissen und abstürzen. Aber nein, die ganze Kletterausrüstung, Seile, Metall und sogar zusätzliches Material wie Schlüssel, Grigris, Schlingen und volle Flaschen, die an meiner Aussenseite baumelten brachten mich nicht zu Fall. Es gelang mir, mich zu behaupten und sie nicht im Stich zu lassen.
Aber das Gewicht war nicht die grösste Herausforderung von allen. Es war die unkonventionelle Art und Weise, wie Julez klettert und wandert. Ich sage euch, es macht nicht viel Sinn, aber es ist nun mal das, was sie tut und so mache ich halt mit. Julez und ihr Freund/Berg-Partner wechselten manchmal plötzlich aus dem Nichts die Richtung durch Busch, Baum, Felsen und ich hatte keine Wahl, ich musste mitmachen. Ich musste mit Herausforderungen kämpfen, bei denen ich manchmal das Gefühl hatte, gar nicht dafür gemacht worden zu sein. Ich muss aber zugeben, es machte Spass sich in den Bergen zu bewegen, obwohl es sicherlich der anspruchsvollste Weg ist. Die scharfen Felsen auf diesen winzigen Pfaden kratzten mich ständig und die stacheligen Sträucher und Bäume zogen mich zurück. Ich weiss nicht, wie das möglich ist, aber ich war noch immer nicht bereit, ein Loch in meiner Haut zuzulassen. Ich will sie einfach nicht enttäuschen. Alles was ich wollte war, ständig bei ihr zu sein, wenn wir auf den Gipfeln dieser wunderschönen Berge ankommen oder eine beeindruckende Klippe erklimmen. Es sind diese Ausblicke, die mich fesseln.
Während dieser Reisezeit durch Portugal, an berühmten Kletterorten wie Siruana, Margalef und Chulilla, der Meeresseite von Katalonien und sogar den heissen Quellen im Süden Frankreichs, erlebte ich mein wirkliches Highlight in der schönen sogenannten «Thaurac» von Frankreich. Eine Viaferatta war der einzige Zugang zu einem Hochland, den Julez und ihr Team entdeckten. Das Highlight war das Slacklining, denn anstatt im Park, wurde das hier hoch oben in den Bergen gemacht, mit Klettergurt. Wir mussten hinunter zum Highline-Anker. Unser Kumpel Karma mochte die Metallstufen überhaupt nicht. Er begann heftig zu zittern, wenn er nur die Kante sah, wir mussten absteigen. Also erinnerten sich Julez und ich an die Fahrradtouren mit dem kleinen Karma und ich dachte, probieren wir es aus. Ich schwöre, in dem Moment, als Julez mich öffnete, sprang er aufgeregt in meine Arme, glücklich einen geschützten Platz zu finden, gut gesichert durch meine obere Schlaufe, aber immer noch genug Platz, um zu atmen. Dann kletterten wir alle zusammen vorsichtig hinunter. Er liebte es, ich liebte es, Julez hätte nicht glücklicher sein können, mich damals in diesem Geschäft gekauft zu haben.
Heute, vier Jahre später, spüre ich, wie meine exponierte und strapazierte Haut beginnt, an gewissen Stellen zu reissen, dort, wo ich eigentlich wasserdicht sein sollte. Aber sogar meine Schnallen brachen letzten Monat durch Überbelastung. Nach dieser ganzen erfüllenden und erstaunlichen Zeit, die ich erleben durfte wusste ich auch, dass ich nichts dagegen tun konnte. Ich weiss, in ihrem Herzen weiss sie, dass ich mein Bestes gegeben habe. Ich widerstand vielen abenteuerlichen Begegnungen mit der Natur, dem Wetter und schleppte viel Ausrüstung. Und ich diente ihr gut, jeden Tag brauchte sie mich. Ich weiss, Julez wird mich nach allem was wir durch gemacht haben nicht in den Ruhestand schicken, nicht sofort, auch wenn ich immer weniger nützlich werde. Wir haben ein Band, von dem wir beide nie dachten, dass es zwischen einem Menschen und einem Rucksack entstehen könnte. Meine Tage sind noch nicht vorbei.
Geschrieben von Julie Engelmann